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 mit 5.000 Euro dotierten Arno-Reinfrank-Literaturpreis 2024.
 
 Die Jury des Arno-Reinfrank-Preises war besonders beeindruckt von Anja Kampmanns Lyrikband "Der Hund ist immer hungrig" (2021 bei Hanser in München erschienen). Mit ihrer poetischen Klage über die vom Menschen verursachte Naturzerstörung, ihrer Benennung politischer Erblasten aus der Nazizeit, die bis in die Gegenwart wirken, ihren Zeilen aus der Perspektive nicht privilegierter Mitmenschen, ihrem Realismus, der auch technische Fakten aufgreift und in Lyrik verwandelt, mit ihrer Sorge um die Zukunft unserer Welt ist sie eine würdige Preisträgerin, die viele der Anliegen, die Arno Reinfranks schriftstellerisches Schaffen prägten, in ihrem ganz eigenen Ton und auf ihre ganz eigene Weise bearbeitet.
Unter der Leitung des Autors und Freundes von Arno Reinfrank, Dr.
 Eckhart Pilick, wirkten kürzlich in Speyer neben der Kulturdezernentin
 auch Jeanette Koch, Witwe des Schriftstellers Arno Reinfrank und
 Stifterin, Ingo Rüdiger, Projektleiter des LiteraturBüro Mainz e.V.
 und Michael Au, Vertreter des Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur
 und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, in der Jury mit.
 
Die Jury ist sich einig: Schon mit ihrem 2016 im renommierten Hanser-Verlag erschienenen Debüt Proben von Stein und Licht habe Kampmann einen ganz eigenen Ton in die Lyrik gebracht: kristallin klar und doch rätselhaft zugleich.
Proben von Stein und Licht sei in fünf Zyklen unterteilt, die von der Fähigkeit der Dichterin zeugten, ihrer Lyrik eine formal wie inhaltlich überzeugende Struktur zu geben. Die mit glas, kalk, eis, salz und sand betitelten Zyklen seien stets überraschende Auseinandersetzungen mit diesen Materialien. Ausgehend davon gehe Kampmann den Dingen auf den Grund, indem sie Gegensätzliches zusammenbringe, Vertrautes und Fremdes einander gegenüberstelle.
Nachdem sie mit ihrer Lyrik vornehmlich die Fachwelt beeindruckt habe, habe Kampmann 2018 mit ihrem Roman-Erstling Wie hoch die Wasser steigen zusätzlich das breitere Lesepublikum von sich überzeugt.
Der Roman, eine Art Roadmovie eines wortkargen Arbeiters auf einer Öl-Bohr-Plattform, begeistere mit der Fähigkeit der Autorin, noch die randständigsten Dinge und Begebenheiten stets überraschend zu beschreiben, so die Jury des Arno-Reinfrank-Preises.
Sie schloss sich dem Urteil der Wochenzeitung „Die Zeit“ an, die seinerzeit jubelte: „Hier ist eine Autorin zu entdecken, deren umfassende Weltaneignung durch Sprache sich am ehesten mit dem Schreibfuror Peter Handkes vergleichen lässt.“
Bis heute werde dem Roman, der 2018 für den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, viel Aufmerksamkeit zuteil. So stand die Übersetzung in englischer Sprache 2020 auf der Shortlist des National Book Awards, des neben dem Pulitzer-Preis renommiertesten Literaturpreises der USA.
2021 folgte dann bei Hanser der zweite Lyrik-Band Der Hund ist immer hungrig. Auch ihn bewertet die Jury mit viel Sympathie für den illusionslosen Sound, der sich am besten durch lautes Lesen erschließe. Kampmanns Gedichte wirkten noch lange nach der Lektüre nach; das zeuge von ihrer großen dichterischen Klasse.
Anja Kampmann sei eine Autorin, die mit dem Werkstoff Sprache experimentiere und sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben. Das mache sie zu einer solch interessanten Erscheinung im Literaturbetrieb, dass sie die Auszeichnung mit dem Arno-Reinfrank-Preis in hohem Maße verdiene.
Die feierliche Preisverleihung sowie eine Lesung von Anja Kampmann aus
 ihrem aktuellen Werk haben im Rahmen der literarischen Reihe SPEYER.LIT
 am 6. und 7. März 2024 im Historischen Ratssaal stattgefunden.
Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren und studierte an der
 Universität Hamburg sowie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.
 Sie erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den
 MDR-Literaturpreis (2013), den Wolfgang Weyrauch-Förderpreis beim
 Literarischen März in Darmstadt (2015) und den Rainer-Malkowski-Preis
 (2021). Bei Hanser erschienen ihr Gedichtband Proben von Stein und
 Licht (Lyrik Kabinett, 2016), ihr Debütroman Wie hoch die Wasser
 steigen (2018), für den sie den Lessing-Förderpreis und den
 Mara-Cassens-Preis erhielt, sowie zuletzt der Gedichtband Der Hund ist
 immer hungrig (2021), der mit dem Günter Kunert Literaturpreis für
 Lyrik ausgezeichnet wurde.
Der Literaturpreis, welcher in Erinnerung an den 2001 in London
 verstorbenen Schriftsteller Arno Reinfrank (1934-2001) ins Leben gerufen
 wurde,  wird alle drei Jahre von der Stadt Speyer vergeben. Gestiftet
 wird er von der „Arno Reinfrank und Jeanette Koch Stiftung", die unter
 dem Dach der Kulturstiftung Speyer als Treuhandstiftung geführt wird.
 
 Frühere Preisträgerinnen und Preisträger sind: Tijan Sila (2021),
 Björn Kuhligk (2018), Svenja Leiber (2015), Daniela Dröscher (2012),
 Monika Rinck (2009) und Jan Wagner (2006).
 Mit dem Preis sollen deutschsprachige Schriftsteller für herausragende
 literarische Leistungen in Lyrik oder Prosa ausgezeichnet werden, die im
 Sinne des Werkes von Arno Reinfrank den Idealen des Humanismus und der
 Aufklärung verpflichtet sind beziehungsweise sich literarisch mit den
 Prozessen und Phänomenen von Wissenschaft und Technik
 auseinandersetzen.
Arno Reinfrank (1934-2001), in Mannheim geboren und in Ludwigshafen
 aufgewachsen, ging nach diversen Studienaufenthalten in Paris und Berlin
 1955 aus Protest gegen die restaurative Politik der Bundesrepublik nach
 England und lebte bis zu seinem Tode am 28. Juni 2001 in London.
 
 Reinfrank war Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger
 Autoren im Ausland und Träger zahlreicher Ehrungen und
 Literaturpreise. Sein vielgestaltiges und umfangreiches Werk umfasst
 publizistische Arbeiten, Prosa, Theaterstücke, Mundartgeschichten und
 Lyrik. Im Zentrum seines lyrischen Schaffens steht die zehnbändige
 „Poesie der Fakten", in der sich Reinfrank zu den Fragen einer
 industrialisierten Welt äußert und auf symbolische Weise
 wissenschaftliche Fakten der modernen Welt auf den
 schriftstellerisch-ästhetischen Bereich überträgt.