Arno Reinfrank

Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2023

Luisa Raffele

Zeit verändert Menschen. Nein, Zeit verändert Leben.

Wir alle verändern uns. Aus Kindern werden Erwachsene und aus Erwachsenen werden “Oma und Opa”. Doch nicht nur wir Menschen verändern uns. Das Leben verändert sich mit uns mit. Letztens bin ich an meinem alten Lieblingsspielplatz vorbeigelaufen. Dem mit der tollen Rutsche. ”Wie gerne ich doch nochmals Kind wäre”, dachte ich und kam mir auf einmal ziemlich alt vor. Als kleines Kind bemerkt man irgendwie noch nicht richtig, wie schnell die Zeit an einem vorbeizieht. Da ist es einem egal, was übermorgen passiert. Das einzige, das zählt, ist jetzt. Außer natürlich, man zählt die Tage bis zum Geburtstag, heute wird mir allein bei dem Gedanken, dass ich in fast fünf Jahren volljährig bin, ziemlich übel. ”Die guten alten Zeiten”, sagt meine Oma immer. ”Ja, die guten alten Zeiten”, denke ich mir auch. Derselbe Satz, doch irgendwie nicht dieselbe Bedeutung. Ich meine, während meine Großmutter an Im-Wald-Cowboy-und-Indianer-Spielen, Schlittenfahren, Rollschuhlaufen und Mit-dem-Fahrrad-ins-Schwimmbad-Fahren denkt, erinnere ich mich gerne an das Schaukeln, meine Ikea-Kinderküche, ans Barbies-Frisieren und meinen ersten CD-Player, den mein Vater mir mal geschenkt, hat zurück. All das gab es früher nicht, und die Kinderküche wird es nie wieder so, wie ich sie kenne, geben. Doch vielleicht ist das nicht das einzige, was ich in genau der, im Nachhinein doch sehr unrealistischen, Version nicht wiedersehen werde. Klar, die Küche war nicht perfekt. Nein, wir sind irgendwie so perfekt unperfekt. Aber das ist, finde ich, genau die Sache, die meine Generation einzigartig macht. Wir sind alle so gleich und doch alle komplett unterschiedlich. Wir alle arbeiten für dasselbe Ziel auf so unterschiedlichen Wegen. Die meisten wissen noch nicht einmal, dass es ein Ziel gibt. Doch das ist ok. Das macht doch das Leben aus. Ich glaube jedenfalls, dass die Zukunft genau so wird, wie wir sind. Einzigartig und kunterbunt. Ich denke, die Coronazeit hat uns gezeigt, wie fortgeschritten unser Planet eigentlich schon ist. Allerdings auch, auf wie viel Elektronik wir wirklich angewiesen sind. Homeschooling ist in ganz Deutschland eine lange Zeit sogar zur Normalität geworden. Nicht nur Schule wurde stark vernachlässigt. Auch Hobbys, wie z.B. Fußball, Ballett oder Klavierstunden konnten nicht ausgeführt werden. Das einzige, was uns Kindern als Möglichkeiten blieb, war: Alleine draußen spielen, lesen oder technische Geräte (Fernseher, Handy, Konsole oder iPad). Und sind wir mal ehrlich: Welcher Jugendliche spielt schon gerne alleine draußen? Oder liest freiwillig ein Buch? Nein, nicht mal ich hatte Lust darauf. Aber kann man es uns verübeln? Vor allen Dingen – Kinder oder Jugendliche ... Wir wollen uns doch mit Freunden treffen, auf Konzerte gehen, nachts heimlich ins Schwimmbad (ok, das ist jetzt vielleicht ein wenig übertrieben, aber Sie verstehen doch sicher, was ich meine). Wir wollen unser Leben genießen, anstatt um sieben Uhr morgens vor den Mathe-Hausaufgaben zu sitzen und verzweifelt zu versuchen, den Stoff überhaupt ansatzweise zu verstehen, wobei Mathe zu verstehen sowieso ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich kann jetzt nur von meinen Schuljahren sprechen, ich war in der 3. Klasse, als Corona angefangen hat. Doch ich will mir nicht vorstellen, was das für diejenigen war, die 2019/2020 erst in die Schule gekommen sind. Für mich persönlich waren die ersten zwei Schuljahre meines Lebens bisher auch die wichtigsten. Der Übergang von Kindergarten zu Schule. Alles ist neu und interessant. ”Jetzt beginnt der Ernst des Lebens”, hatte mir ungefähr jeder Zweite gesagt. Für mich war das wichtigste, den “Ernst des Lebens” überhaupt kennenzulernen. Doch was ist mit denjenigen, die das nicht konnten? Nicht durften? Nicht nur Schüler, auch schon Kindergartenkinder griffen viel öfter zu mobilen Geräten. Weil Eltern keine Zeit hatten, sich um sie zu kümmern. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Es ist vollkommen selbstverständlich, dass die Erziehungsberechtigten trotzdem arbeiten mussten oder zuhause im Homeoffice saßen und somit keine Zeit für uns Kinder hatten. In vielen Fällen konnten Kinder auch nicht eben mal bei der Verwandtschaft untergebracht werden. Nicht nur der Tagesablauf, das komplette Leben wurde bei uns allen auf den Kopf gestellt. Trotz allem sind wir uns, denke ich, einig: Sowohl wir Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene haben viel mehr vor dem PC, iPad und in den meisten Fällen dem Handy gesessen. Nicht nur wegen dem Homeschooling/Homeoffice, auch unsere Freizeit haben zum größten Teil die mobilen Geräte eingenommen. Einfach, weil man fast nichts mehr von seinen Hobbys ausführen konnte. Im Laufe der Jahre hat sich natürlich sowieso einiges geändert. Aber ich finde, die Pandemie/Coronazeit hat da einfach noch eine Schippe draufgelegt. Handys usw. sind in den drei Jahren einfach zur Normalität geworden. Vor ein paar Jahren sind Kinder noch auf den Spielplatz gegangen, doch weil sie sich in diesen paar Jahren so sehr an das Handy und die Konsole gewöhnt haben, geht es jetzt oft nicht mehr ohne. Und das kann man niemandem übelnehmen. Es gab keinen Spielplatz mehr, kein Mit-Freunden-Rausgehen. Das einzige, was es gab, war alleine spielen oder eben Handys. Und weil man sich mit der Zeit eben so an das Handy gewöhnt hat, geht es jetzt sogar oftmals nicht mehr ohne. Wie Sie sehen: mobile Geräte sind ein Teil unseres Lebens geworden. Und ich denke, das wird auch viel unserer Zukunft ausmachen. Ich sagte ja bereits, dass ich vor ein paar Wochen nach längerer Zeit mal wieder auf meinem damaligen Lieblingspielplatz war, und was soll ich sagen, es war 15 Uhr an einem Freitag, also eigentlich eine gute Zeit für Sechs-/Siebenjährige, um mit Freunden (vielleicht sogar ohne Eltern) mal ein Picknick zu machen. Die Sonne schien, mein Sechsjähriges Ich hätte mit dem “Festnetztelefon” seine Freundinnen angerufen, um sich mit selbstgebacken Keksen und einer Picknickdecke zu verabreden. Naja, mit dieser Meinung wäre ich 2017 sicher nicht alleine gewesen. 2017, aber nicht heute. Das einzige, was ich zu sehen bekam, war eine Gruppe 15-Jähriger mit E-Zigratten zwischen den Zähnen, einer Dose Redbull in der rechten und ihrem iPhone in der linken Hand. Kein fröhliches Kinderlachen, nur eine Diskussion über den neuen Fortnite Skin. Traurig nicht? Vielleicht werden meine Kinder schon selbst ein Teil davon sein. Vielleicht ist das aber auch nur ein Teil unserer Zukunft. Ich habe mich längere Zeit mit diesem Thema beschäftigt und bin zu dem Ergebnis gekommen: Auch, wenn die Elektronik ein Teil unseres Lebens geworden ist, eines wird man nie durch Elektronik ersetzen können: Die Menschheit. Das Wir.