Arno Reinfrank

Arno-Reinfrank-Literaturpreis 2015

Grußwort von Jeanette Koch, Stifterin des Arno-Reinfrank-Literaturpreises

Stifterin Jeanette Koch
Stifterin Jeanette Koch

Verleihung des Arno-Reinfrank-Literaturpreises an Svenja Leiber
Speyer 17. November 2015

 
 
Sehr geehrter Oberbürgermeister Eger! Liebe Svenja Leiber!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde!


Dichtung ist zeitlos. 

Aber: in ihrem Inhalt, in ihren Bildern finden sich auch spätere Generationen mit eigenen Problemen wieder. Daran musste ich denken, als ich für einen neuen Band mit Gedichten von Arno Reinfrank (über den ich nachher noch sprechen möchte), in seinen früheren Gedichtbänden las.

Wie Sie wissen, hat Arno Reinfrank Deutschland als ganz junger Mensch verlassen, weil er miterleben musste, dass es in seinem sozialistisch eingestellten Elternhaus, das schon von den Nazis verfolgt wurde, auch in der Nachkriegszeit noch polizeiliche Hausdurchsuchungen gab. In seinem Gedicht "Blick in den Spiegel" aus dem 1973 erschienenen Band "Die Totgesagten" reflektiert er sein Heimatland, 

"wo ich als Kind
mit andern Kindern spielte [...]
Und wo die Polizistenhand
in meinem Spielzeug wühlte [...]". 

Wie aktuell die Thematik eines Landes ist, "das flüchtend ich verlassen", wie es zu Beginn dieses Gedichtes heißt, sprechen seine Verse in "Poète ?migr?" aus, dessen Metaphern auf die Masse von Flüchtlingen bezogen werden können, die in dieser Zeit in Europa um Hilfe suchen und so lange anonym bleiben, bis das Foto eines ertrunkenen Jungen die Welt erschüttert.

"In Bitterkeit zog er davon", schreibt Arno Reinfrank,
"und mager stieg er mit Wasserstiefeln in die Flüsse,
wo er die Leine schwang nach einem neuen Traum.
Erst als er ausglitt, sich die Stirn zerbrach an Klippen
und lag, erstarrt, der Lachs sprang über ihn,
erkanntet ihr in ihm des Fleisches eignen Bruder." 

1970 erschien dieses Buch mit dem Titel "Rauchrichtung".

Hier flieht der Dichter ins Exil. In Svenja Leibers Roman "Das letzte Land" ist es ein außergewöhnlicher Musiker, dem man in der Kindheit seine Begabung aus dem Leib zu prügeln versucht und der im späteren Leben an den Verhältnissen scheitert: an den politischen mit allen Brüchen des 20sten. Jahrhunderts und ebenso an den gesellschaftlichen. Svenja Leiber geht es um das Verhältnis von Kunst und Moralität, um den Zusammenhang von Virtuosität und dem Tun und Unterlassen in sozialen, biografischen und gesellschaftlichen Fragen, wie sie selbst in einem Interview in "ZEIT online" sagt. 

Das teilt sie mit Arno Reinfrank auch in seiner Prosa. Ich nenne nur seine Bände mit Erzählungen wie "Der goldene Helm", "Solly und die 99 Engel", "Die Rettung durch Noah" oder "Der Tollkirschenmord".
Beiden geht es auch um die Liebe. "Man muss überhaupt geliebt werden", sagt Svenja Leiber in dem genannten Interview.

Mit den Preisträgern Jan Wagner, Monika Rinck, Daniela Dröscher und jetzt Svenja Leiber hat sich der Arno-Reinfrank-Literaturpreis bestens etabliert. Unter dem Dach der Kulturstiftung Speyer hat er jetzt auch für die Zukunft eine sichere Bleibe gefunden.

Für seine intensiven Bemühungen und vor allem auch für seinen Enthusiasmus möchte ich Dr. Peter Eichhorn in diesem Zusammenhang sehr herzlich danken.

Arno Reinfranks Lebenswerk wird nicht vergeblich gewesen sein, wenn es einen Kreis von Freunden und ein Netzwerk von Leserinnen und Lesern gibt, die sich engagieren für seine Literatur wie für seinen Einsatz für Menschlichkeit in unserer Gesellschaft.

Der Arno-Reinfrank-Jugendpreis, den die Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz zusammen mit der Stadtbibliothek Ludwigshafen alle zwei Jahre vergibt, gehört ebenso dazu wie die Benennung des Arno-Reinfrank-Weges in Friesenheim.

Zu nennen ist vor allem auch die zweite Ausstellung der Landesbibliothek Speyer zu Reinfranks Leben und Werk. Die erste wunderbare Ausstellung hatte ja Dr. Vorderstemann schon 2004 konzipiert. Dort, in der Landesbibliothek wird Reinfranks Nachlass verwahrt. Er ist ebenso die Grundlage für die zweite Ausstellung zu Arno Reinfrank aus Anlass seines 80sten Geburtstages vor einem Jahr. Dr. Armin Schlechter danke ich von Herzen dafür! Morgen Abend wird sie mit einer Lesung von Svenja Leiber eröffnet. 

Gerne will ich dazu beitragen, das Lebenswerk von Arno lebendig zu erhalten. Inzwischen sind mehrere Bücher erschienen: der Band "Arno Reinfrank - Zeitzeuge, Lyriker, Querdenker" über die vierzig Jahre seiner "Gedanken Werkstatt", "Moi Pälzer Werterbuch" mit zwei Auflagen, das Musik-Hör-Buch "Das ferne Blau" und die "Jüdischen Miniaturen" mit einem Aufsatz des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Guy Stern, der dort unter anderem schreibt:

"Er changierte zwischen Eros und Thanatos, zwischen durchaus gewagter Liebeslyrik und Trauergesängen um die Opfer von Auschwitz." 

In einer Sammlung seiner Gedichte, die im nächsten Jahr in Wien erscheinen wird, werden all diese Aspekte zu finden sein.
Mit seinen 10 Bänden der "Poesie der Fakten" bietet er ein von kritischer Neugier geprägtes lyrisches Panorama der Gegenwart, die durch die Technik bestimmt und verändert wird. Aber schon 1971 hat er geschrieben:

"Wissenschaft erhält den Vorrang - doch nicht vor dem Menschlichen." 

Arno Reinfrank ist ein Poet des Menschlichen.
Danke, dass Sie alle gekommen sind, um das Menschliche zu ehren und zu feiern.