Arno Reinfrank

Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2011

Mizu Lanyon

Leben - BASTA!
 
Schnell atmend zog er mit einem Ruck den Kunai aus seinem Bein und klemmte sich den Griff zwischen seine Zähne, bevor er sich ein Stück von seinem Oberteil abriss und es sich straff um die Wunde wickelte, damit er nicht allzu viel Blut verlor. Danach hob er seinen eigenen, fallengelassenen Kunai vom Boden auf und wiegte ihn in der Hand? So war es doch wieder viel besser! Kurz lehnte er sich mit seinem Rücken gegen einen Baumstamm und versuchte sich zu orientieren. In seinem unmittelbaren Umfeld fanden keine Kampfhandlungen mehr statt - Zumindest nicht mehr! Zwei ihrer Angreifer lagen ein Stück von ihm entfernt im Gras - Einen hatten sie gleich am Anfang erledigen können und der andere war seinem Kameraden gefolgt, kurz nachdem er von dessen Kunai erwischt worden war. Also blieb nur noch einer übrige, der entweder von Machi weggelockt worden war oder der sie weggelockt hatte! Nichtsdestotrotz musste er sie finden und ihr helfen! Vorsichtig schaute er über die Wiese und suchte nach einem Hinweis, wo die Beiden hingegangen waren  Dort! Am gegenüberliegenden Teil der Lichtung waren ein paar geknickte Zweige und zertretene Pflanzen! Schnell rappelte er sich auf und schlich am Rande der Lichtung entlang. Immer im Schutz der schattenwerfenden Bäume und selbst ein Schatten, der mit diesen verschmolz. Als er am anderen Ende der Lichtung angekommen war, hielt er kurz inne um die Spuren zu untersuchen. Keine Zweifel! Das waren Machi und ihr Gegner gewesen: Zwei unterschiedlich tiefe Fußspuren, die sich ab und zu überlappten und eine verwobenes Muster bildeten, waren zu erkennen. An einem der Bäume, an dem eine der beiden Fußspuren nicht so tief und sehr verwischt war klebte ca. auf Hüfthöhe Blut - Machi war verwundet worden, als sie keine Chance mehr hatte auszuweichen! Höchstwahrscheinlich sogar links, an ihrem Wurf Arm! Dennoch konnte der Schnitt sie nur überrascht und nicht sonderlich behindert haben, da es nur wenige Spritzer und somit ein geringer Blutverlust war. Aber selbst wenn sie nur minimal unaufmerksam gewesen war, hatte ihr Gegner das ausnützen können! Also er musste sie möglichst schnell finden, wer wusste denn in welcher Verfassung sie mittlerweile war? Aufmerksam pirschte er weiter vorwärts. Immer am Rand der Fußstapfen entlang und behielt dabei seine Umgebung ganz genau im Auge. Auf einmal hörte er etwas Leises rascheln und ein schnaufen. Kurz darauf stand er im Schutz eines großen Baumes und hielt nach einem kleinen Detail Ausschau, nach etwas das unter normalen Umständen nicht in einen Wald gehörte  Dieses Mal hörte er in weiter Entfernung ein leises Fluchen und kurz darauf das Klirren von Metall - Machi und ihr Gegner! Nun um einiges schneller rannte er durch die Schatten und scheuchte sogar das ein oder andere Tier auf, was Ninjas eigentlich immer vermeiden sollten! Als er sich den Kampfhandlungen näherte nahm er ein wenig Tempi aus seinen Bewegungen und achtete wieder vermehrt auf seine Deckung, dabei jedoch immer angriffsbereit. Leise pirschte er sich immer näher an das Kampfgeschehen heran, bis auf einmal ein weiblicher Schrei und kurz darauf das Aufschlagen eines Körpers auf dem Boden zu hören war. "Das Biest hat sich wirklich lange gewehrt - Einfach nur lästig! Trotzdem muss hier irgendwo noch einer rumgeistern, wenn sich Kairi mal wieder ein wenig dümmer angestellt hat - Hoffentlich hatte er sich dieses eine Mal ein wenig fähiger angestellt als sonst  Zumindest wäre es das Beste für ihn "Ein leises rascheln gefolgt von mehreren Klackergeräuschen verrieten ihm, das Machi anscheinend gefilzt wurde. Mist, er hatte doch versprochen auf Machi aufzupassen! Sie war die Einzige, die damals überlebt hatte und das auch nur mit großer Not! Warum hatte er den stärker werden wollen? Nur um sie, seine Freunde und Familie beschützen zu können! "Du bist stark und flink im Kampf! Du brauchst meine Hilfe nicht! Schau nur wie viele Menschen du getötet hast, um selbst zu überleben und deine Familie beschützen zu können ... Hier ist niemand mehr am Leben, der dir gefährlich werden könnte! Sei stolz darauf und fürchte dich vor deinen eigenen Taten! Fürchte dich und das was du getan hast, aber denke immer daran, für wen du dies alles getan hast! Werde noch stärker und klüger, damit du deine Familie beschützen kannst, ohne in Zukunft so viele andere Menschen töten zu müssen! Und hoffe, dass du mich nie wieder sehen wirst..." Genau das hatte der Hüne damals zu ihm gesagt! Genau das wollte er schaffen - und jetzt war Machi, seine Teamkameradin und Kindheitsfreundin tot - TOT! Und er hatte erneut durch seien Unfähigkeit versagt und jemand war gestorben! Kurz wischte er sich mit dem Arm über seine Augen. Dabei hörte er ein Stück schräg rechts von sich ein Rascheln und duckte sich schnell. Kurz darauf durchschnitt ein Kunai an der Stelle, an der noch kurz davor seine Schulter gewesen war die Luft uns schlug in den Stamm eines massiven Baumes ein. Mist, er hatte gar nicht mitbekommen, dass die Geräusche des anderen verstummt waren! Geschmeidig rollte er sich zur Seite ab und suchte einen halbwegs geschützten Ort. Wenn er sich nicht kur sammeln oder den Gegner lokalisieren konnte, hatte er verdammt schlechte Karten! Auf einmal sprang ein Hase zu seiner Linken aus dem Gebüsch und auch einige Vögel aus dieser Richtung stoben auseinander und gen Himmel. Er hatte die Tiere aufgeschreckt! Machis Mörder hatte genau den gleichen Fehler getan, wie er zuvor! Um besser sehen zu können, veränderte er seine Position ein Stück und spürte sofort einen Luftzug an seinem Hals. "Keine Angst, ich bin hier!" Etwas spitzes drückte sich sachte gegen seine Haut und der aufflammende Schmerz war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sein Gegner keine halben Sachen machen würde! "Wenn du mir schön sagst, was ich wissen will, dann erbarme ich mich und du darfst schnell und ohne allzu große Schmerzen sterben - Wer weiß, vielleicht kann man dich danach identifizieren - ist das nicht ein großartiges Angebot?" Der Druck und die Schmerzen an seinem Hals nahmen zu. "Das hängt aber alles nur von deiner Kooperation oder deiner Lust auf Schmerzen ab!" Leise hörte er näherkommende Schritte und kurz darauf ging die Tür auf. Als das große Zimmerlicht anging, erkannte er seine Mutter Saki als die Person, die in der Tür stand und ihn keineswegs überrascht anschaute. "Also liest du doch noch, Ando! Du weißt doch genau, dass du morgens dann nicht aus den Federn kommst, wenn du noch so spät liest. Oder fällt morgen etwa die erste Stunde aus?" Langsam lief seine Mutter zum Fenster und lies den Rollladen komplett herunter. Ihr schulterlanges schwarzes Haar umspielte dabei ihren schlanken Hals und sie steckte es sofort wieder hinter ihre Ohren. "Nein, Geschichte findet statt - Und wir hören uns erneut Referate über außeneuropäische Geschichte an. Morgen dürfte Japan an der Reihe sein." "Na dann ist das doch gut - da kannst du dich sicher gut einbringen." Sanft strich sie ihm über den Kopf und setzte sich auf seine Bettkante. "Hai, Niklas ist an der Reihe und ich habe ihm dabei geholfen, von daher weiß ich schon alles, was morgen drankommt!" "Na dann solltest du aber trotzdem aufpassen und nicht schlafend auf dem Tisch liege, weil du wieder einmal die ganze Nacht eifrig gelesen hast. Ich wundere mich immer noch, dass du das Buch nicht auswendig kannst, so oft wie du es schon gelesen hast " Vorsichtig legte sie das blaue Lesezeichen zwischen die Buchseiten während sie es zuklappte und auf seinen Nachttisch legte. "Ich kann es ja auch fast auswendig. Nur mag ich die Handlung wirklich sehr und sie ich auch richtig faszinierend! Mir fallen immer wieder kleine Details oder bestimmte Formulierungen auf, die vorkommen und ein paar Sachen verraten oder erahnen lassen!" "Na wenn das so ist . Auf alle Fälle schlag gut und beschwer dich morgen lieber nicht, wenn du wieder viel zu müder bist "Fröhlich lächelte seine Mutter, wobei ihre dunkelbraunen mandelförmigen Augen sich aufhellten und sie sich von seiner Bettkante erhob. "O yasuminasai, o ka san! " "Gute Nacht, Ando." Vorsichtig wurde das Licht gelöscht und er ließ sich in sein Kissen senken, nachdem er seine Nachttischlampe auch ausgeschalten hatte. Vielleicht würde er auf das Lesen morgen früh wirklich besser verzichten, immerhin musste er Marco noch seine Bücher zurückgeben und in Geschichte sollte er vor allem, wenn es Niklas Vortrag war, pünktlich da sein - Bestimmt hatten sie schon wieder den Raumplan für die Oberstufe geändert und er musste er erst einmal schauen wohin er musste. Also so ziemlich wie jede Woche das gleiche nervige Spiel - Aber dafür hatte Niklas auch endlich das Referat hinter sich! Immerhin bekam dieser jedes Mal eine ziemliche Panik, wenn er vor ihrem Kurs oder vielen Menschen sprechen sollte! Aber auch das würde er mit Sicherheit bald ablegen, denn daran arbeitete sein Freund schon lange und meldete sich sogar freiwillig, wenn es um Vorträge ging - Zwar bekam er danach ziemlich häufig wieder kalte Füße, zog es letzten Endes aber jedes Mal aufs Neue durch! Wen n er weiterhin motiviert war, wären solche Angstattacken wahrscheinlich bald der Vergangenheit, denn jeder Mensch konnte an sich arbeiten und seine Hürden überwinden! Und er musste verdammt noch einmal damit aufhören, sich immer wieder über alles Gedanken zu machen! Seufzend drehte er sich um und zog die Decke noch ein wenig höher. Einfach nur schlafen ~
Verschlafen blinzelte er ein wenig bevor er die Hand aus dem warmen Bett streckte und versuchte den morgendlichen Störenfried aus zuschalten. "Aaaaaaaaa--- Ich weiß es doch schon!" Mit einem Finger erhaschte er den Knopf und nach ein wenig Druck, war es wieder wunderbar still im Zimmer. "Besser "Zufrieden drehte er sich noch einmal um und zog die Decke wieder über die Schulter. Als zum zweiten Mal das störende Piepsen erklang, drehte er sich widerwillig um, streckte sich kurz und stand auf, nachdem er seinen Wecker komplett ausgeschalten hatte. Während er seinen Rollladen hochzog und das Fenster zum Lüften öffnete, warf er einen kurzen Blick auf seinen Nachttisch - Ja seine Mutter hatte recht. Die Handlung war zwar relativ simple, aber doch immer wieder faszinierend und mitreißend: Der junge Ninja Hiro verlor bei seiner ersten Mission fast sein kompletter Einsatzteam; nur seine Kindheitsfreundin Machi überlebt mit müh und Not, nachdem ihm der vermummte Hüne geholfen hatte. Kurz darauf gibt es einen Überfall auf ihr Dorf, wobei viele Menschen und darunter auch seine Mutter ums Leben kommen. Zusammen mit seinem Vater zieht er seine wenige Wochen alte Schwester auf, die zu diesem Zeitpunkt noch ein Säugling ist und versucht immer stärker zu werden, wie es ihm der Unbekannte befohlen hatte. Dieser war soweit er wusste auch der Mörder seines ersten Ninjateams, wodurch es ihm eigentlich widerstrebte diesen zu gehorchen. Letzten Endes lief es darauf hinaus, dass er den Hünen bei einem Auftrag töten sollte, aber dies nicht wollte, da dieser ihm schon so häufig geholfen hatte und er sich aus irgendeinem Grund zu diesem hingezogen fühlte. Deswegen ließ Hiro den Hünen laufen und wechselte zur Polizei des Dorfes, wo er sich um Todes- und Mordfälle unter Shinobis kümmerte, wodurch er immer wieder den vermummten Mann über den Weg lieg und in Versuchung geriet sich diesem und der Verbrecherbande zu der dieser gehörte, anzuschließen. Er liebte einfach diese tiefergehenden und wiederkehrenden Probleme, mit denen Hiro sich immer wieder aufs Neue Auseinandersetzen musste. Dabei kam er je nach dem was ihn in der letzten Zeit stark beeinflusst hatte zu unterschiedlichen Auffassungen, die eigentlich sein ganzes Leben umstürzen könnten, wenn er sich nach ihnen richtete und z.B. seine kleine Schwester und seinen Vater verlassen würde und sich dafür dem Hünen und den anderen Gesetzlosen anschloss - Doch da war in der Regel schon das nächste Problem: konnte er so egoistisch sein und sein ganzes bisheriges Leben verraten, in dem er sich von den Idealen, die er bisher hatte abwand? Das besondere daran war ja, dass je nachdem unter welche Umständen man das Buch las, als Leser selbst neue Antworten fand oder Hiros Denkweise nachvollziehen konnte bzw. ablehnte! Erst dadurch wurde es so faszinierend und schlang einen in dessen Band - Es spielte zwar im alten Japan, dessen moralische und sozialen Konflikte jedoch auch in ihrer heutigen Zeit, obwohl sich die europäische Gesellschaft schon immer von der asiatischen unterschieden und beide sich immer weiter entwickelt hatten! Dabei musste er nur einmal an die Probleme denken, die Marco, sein Cousin, hatte, weil viele Menschen einfach nicht damit klar kamen, dass auch schwule und lesbische Menschen ganz normale Menschen waren! Mit dem wahrscheinlichen einzigen Unterschied, dass sie meistens um einiges offener waren! Mit einem Ruck stieß er sich von dem Fensterbrett ab, schnappte sich drei Bücher und verließ sein Zimmer. Ein Stück weiter den Gang runter klopfte er kurz an die Tür bevor er sie öffnete und den Lichtschalter betätigte: "Ohayo , Marco ~ Du bist mal wieder eine richtige Schnarchnase, wenn selbst ich früher dran bin als du" Spielerisch wehrte er das angeflogene Kissen ab. "Nahhh --- Lass mich, ich habe Saki schon geholfen, die Fahrradkette wieder hinzubekommen, weil sie schon wieder von runtergesprungen war! Und dein Paps hatte natürlich keine Ahnung, wie man das hinbekommt " "Gut und ich habe hier deine lang vermissten Sherlock Holmes Romane." Sachte legte er die Bücher auf dem Schreibtisch ab und schnappte sich gleich darauf den leeren Teebecher, der anscheinend noch von gestern Abend dort stand. "Lange vermisst? Die hast du Leseratte dir erst vorgestern ausgeliehen!" "Ach ne, du Schlafmütze-" Schnell lief er zurück zur Tür und schlüpfte hinaus. "Ich gehe jetzt erst einmal in Ruhe frühstücken, damit du ins Bad kannst. Aber an deiner Stelle würde ich mich lieber beeilen, immerhin solltest du bald in der Uni sein und du kennst unser morgendliches Verkehrschaos in Berlin!" "Argh, womit hab ich nur so einen naseweisen Cousin wie dich verdient?" Auf dem Weg runter in die Küche hörte er Marco noch laut seine Sachen zusammenkramen aber kurz darauf lief schon das Wasser im Badezimmer. Also hatte er heute wirklich eine frühe Lesung. Eigentlich war er wirklich froh darüber, dass sein Cousin bei ihnen wohnte und es mehr so war, als wäre dieser sein älterer Bruder. Nur die Begleitumstände waren nicht die Prickelsten. Vor eineinhalb Jahren hatte sein Cousin sich als schwul geoutet und dessen Vater war darüber nicht allzu erfreut gewesen. Das hatte damit geendet, dass Marco eigentlich keine männlichen Freunde mehr mit nach Hause bringen durfte und sein Vater an sich schlecht auf ihn zu sprechen war. Als die ganze Situation dann zu eskalieren begann, hatte sein eigener Vater Julian vorgeschlagen, dass sein Cousin bei ihnen wohnen könnte. Nach ein paar Wochen hatte sich Markus, denn alle nur kurz Marco nannten, dann bei ihnen weitestgehend eingelebt und da seine Eltern nichts dagegen hatte, hatte dieser auch seinen Freund nach Hause gebracht. An sich hatte er nie etwas gegen Schwule gehabt, aber als er Andreas kennengelernt hatte, war er sehr verwundert gewesen, dass sein Onkel etwas gegen ihn haben konnte - Er war total nett! Aber anderer seit hatte er jetzt so etwas wie einen älteren Bruder und für Marco war es nie ein Problem gewesen, dass dessen Onkel eine Japanerin geheiratet hatte - Also warum sollte er sich darüber beschweren? Vorsichtig räumte er die Teetasse in den Geschirrspüler ein und betrachtete das Chaos auf der Anrichte. Anscheinend hatte sein Vater wieder einmal vorgehabt ihm und Marco das Frühstück mitzugeben. Nur zwischendurch bestimmt wieder vergessen und alles einfach liegen gelassen! Zügig belegte er einige der geschnittenen Brotscheiben mit Salat, Gurken, Tomate und ein paar Hähnchenbrustscheiben, bevor er sie in ihre Dosen tat und seine Thermoskanne, in der schon zwei Teebeutel hingen mit heißem Wasser füllte. Danach kramte er nach einer kleinen Schüssel und füllte diese mit Müsli und Milch. Kurz darauf hörte er es leise Poltern und sein Vater tauchte mit einer Aktentasche unter dem Arm auf. "Ah, Ando du bist schon wach - Hast du zufälligerweise die Autoschlüssel oder Marco gesehen?" Lächelnd schaute er auf. Sein Vater war wirklich wie immer zu jeder Uhrzeit ziemlich verpeilt. Da war es wirklich ein wahres Wunder, dass er zu den besten und gefragtesten Architekten in ihrer Region gehörte, wenn er auch so bei der Arbeit war."Marco ist im Bad und die Autoschlüssel sind wahrscheinlich am Schlüsselbrett. Oder du hast gestern wieder vergessen, sie aus deiner Hosentasche zu nehmen " Sofort griff sich sein Vater hinein und zog den Autoschlüssel hervor. "Siehst du  Ich bin gut " "Ähh, ja  Danke! Sag mal, soll ich Marco mitnehmen? Ich könnte ihn auf dem Weg zur Arbeit an der Universität rauslassen?" Schnell schob er sich einen Löffel Müsli in den Mund. "Nö, liber nisch - Der is ers noch im Bad un wenn de wartest, wirst du zu speht sein!" "Okay, dann fahr ich jetzt, sagst du ihm Bescheid, dass ich weg bin?" "Hai, mach ich!" "Tschüss!" Kurz darauf fiel die Haustür leise ins Schloss und er räumte die Schüssel in den Geschirrspüler ein, um sich dann im Bad fertig zu machen. Aus dem Marco dem Poltern nach zu urteilen, anscheinend gerade herauskam. Manchmal war seine Familie wirklich sehr merkwürdig und vor allem verpeilt.
Als er die Papiertüte in die Tonne warf, klatschte ihm etwas auf den Kopf und kurz darauf fuhr Marco auf dem Rad und der Umhängetasche über am Rücken an ihm vorbei. "Bye, Kleiner !" "Hey, ich bin nicht klein!" "Bist du doch " Innerlich grinste er, auch wenn es ihn schon ein wenig ärgerte von seinem Cousin immer als klein bezeichnet zu werden. Eigentlich lagen zwischen ihnen nur zwei Jahre und aufgerundet ein circa ein Kopf, was eigentlich wenig war. Und er war aus seiner Wachstumsphase noch nicht ganz draußen, also bestand noch die Hoffnung, dass er eines Tages größer sein würde, als sein Cousin. Dagegen sprach jedoch leider, dass er zum Teil Asiate war und die in der Regel nie all zu groß wurden. Sein Vater jedoch war auch nicht gerade groß, was es ihm eine genetisch eher ungünstige Voraussetzung schaffte. Aber wer weiß, vielleicht war er eine der Ausnahmen, die die Regel bestätigten!
Als er um die Ecke bog, sah er ein zierliches und asiatisches Mädchen auf ihn zu kommen. "O hayo go zaimasu, Kisa-chan!" "O hayo, Ando." Grinsend wartete er, bis das schwarzhaarige Mädchen erreicht hatte, bevor sie automatisch die gleiche Richtung einschlugen. Immerhin hatten sie den gleichen Schulweg, da seine Jugendfreundin in der gleichen Schule eine Stufe unter ihm besuchte. "Sag mal hast du dich wieder irgendwie im Sport verletzt?" Misstrauisch beäugte er den Verband an ihrem Arm und die Kratzer auf ihrer Wange. Kisa war schon von Natur aus ziemlich schusselig gewesen, aber er war einer der wenigen außerhalb ihrer Familie, die wussten, dass sie da noch ein paar andere Probleme hatte. "Äh nicht direkt  Ich bin mal wieder hingefallen "Um ein fröhliches Auftreten bemüht wurde er von ihr unsicher angelächelt, aber sofort zog sie die Ärmel ihrer Weste wieder über den Verband hinab zu den Handgelenken. Wieder hingefallen bedeutete bei ihr so viel, wie sie war wieder von anderen Mädchen gemobbt worden war. "Nahh, das solltest du dir wirklich nicht gefallen lassen! Sie haben keinen Grund dafür, dass zu machen! Und ich habe dir schon oft gesagt, dass ich gerne die Pausen mit der verbringe, damit es dann aufhört "Leicht errötete Kisa und schaute verlegen zur Seite. "Aber dann tun sie es, wenn du nicht dabei bist oder an sich einfach wann anders - Dann ist es doch am besten, wenn ich sie nicht noch irgendwie provoziere-" "Na und?" Leicht aufgebracht schaute er zu der Jüngeren hinüber. "Sie haben keinen Grund dafür so etwas zu tun und dass sie nicht damit aufhören, obwohl die Lehrer ein Machtwort dazu gesagt haben, zeugt nur davon, dass sie nicht wissen wie sehr sie dich damit verletzen! Wenn jemand so etwas mit ihnen machen würde, wollten sie doch auch, dass er damit aufhört! Außerdem versteh ich es nicht, warum du ihnen nicht einmal die Meinung geigst! Sie immer einfach so weitermachen zu lassen ist es nicht wert! Du muss auch einmal an dich und deine Gesundheit denken - Selbst wenn es nur kleine Wunden oder Verletzungen sind, ist es nicht gut, wenn du dauernd verletzt bist!" "Ich weiß, aber du weißt, dass ich nicht eine der Personen bin, die das sagen kann, was sie denkt. Manchmal wäre ich da schon mehr wie du oder meine Brüder " "Nahh, sag das lieber nicht - Du bist doch viel hübscher als wir drei zusammen! Außerdem sag ich nicht immer das was ich denke, sondern versuche den anderen meinen Standpunkt zu verdeutlichen. Sie müssen nicht deiner Meinung sein, es reicht schon, wenn sie merken, dass es nicht gut ist, was sie tun " Schweigend liefen sie erst einmal neben einander her und er steckte seine Hände in die Hosentaschen. Kisa und er waren gemeinsam aufgewachsen, da ihre Eltern sich schon lange kannten und befreundet waren. Dazu kam dann auch, dass er in den gleichen Jahrgang wie ihr Bruder ging und sie einfach einen Narren an Marco gefressen hatte, als die beiden sich das erste Mal getroffen hatten. An sich war Kisa mehr wie seine kleine Schwester und er hatte schon im Sandkastenalter lieber auf sie aufgepasst, als die ganze Zeit nur mit ihrem Bruder zu spielen. Mittlerweile machte es ihm sehr zu schaffen, dass die anderen Mädchen ihn ihrer Stufe immer etwas an ihr auszusetzen hatten und sie darunter sehr litt. Aber etwas dagegen tun konnte er auch nicht. In diese Sinne hatte er schon immer wie Hiro stärker werden wollen um Kisa zu beschützen. Leider gelang ihm das nur nicht und das einzige was er tun konnte, war ein Auge auf sie zu haben und in auffälligen Situationen so unauffällig wie es ging ihr zu helfen oder sie von den anderen Mädchen wegzulocken. Nur war es meistens dann so, dass sie am nächsten Tag noch extremer von diesen gepisackt wurde! Ihre Eltern kümmerten Kisas Probleme in der Schule relativ wenig und wenn er, bei einem ihrer Besuche, sie darauf ansprach, so schoben sie die ganze Schuld auf ihre Tochter, als ihr zu helfen! Stattdessen hatte er versucht so oft es ging, mit seiner Sandkastenfreundin zu reden und ihr in der Schule zu helfen. Deswegen ging er auch noch regelmäßig zu ihr oder sie besuchte ihn und er half ihr bei den Hausaufgaben oder sie verbrachten einfach nur den Nachmittag gemeinsam. Das waren nur wenige Stunden, aber dann konnte er, wenn er Glück hatte, sie ab und zu mal wieder richtig lachen hören. Es war einfach wunderbar und leider waren diese Momente viel zu selten. "Ähm du hast jetzt wieder im zweiten Stock Unterricht, nicht wahr?" Hastig schaute er auf und realisierte, dass sie gerade in die Straße zu ihrer Schule eingebogen waren. "Ähm ja ich glaube schon, wenn sie nicht schon wieder den Raumplan geändert haben " "Mhm , ich glaube nicht. Herr Scholl war letzte Woche krank und er stellt die Pläne ja immer auf. Von daher dürftest der Unterricht in den gleichen Sälen wie letzte Woche stattfinden " "Das wäre gut, dann könnten wir uns wenigstens diese Woche einmal das lästige Räume suchen sparen. So langsam glaube ich, dass die nur geändert werden, weil die Lehrer das so lustig finden " Ein wenig lächelte Machi. "Hai, das wird es höchstwahrscheinlich sein " "Nahh, mach dich nicht lustig über mich!" Grinsend wuschelte er durch ihre schulterlangen Haare. "Immerhin habe ich dir etwas mitgebracht ..." Verdutzt schaute sie auf. "Du hast mir etwas mitgebracht?" "Hai, einen Moment ich suche es kurz." Schnell setzte er seinen Rucksack ab und kramte nach seinem Ordner für Kunst. Dort zog er den dünnen Bogen heraus. "Hier, das ist eins der neuesten Bilder, das Marco gemacht hat. Vom Kudamm und ich dachte, dass es dir gefallen könnte - Ich zumindest mag es wirklich sehr!" Vorsichtig reichte er ihr das Bild und betrachtete das Lächeln, dass sich langsam auf ihrem Gesicht ausbreitete. "Hai, das ist wirklich toll! Aber wann hat er das denn gemacht? Wir haben doch schon fast Sommer und da blüht doch noch nicht alles!" Interessiert lugte er über den Bildrand. "Das war noch im Frühling, aber es hat gedauert, bis er mir die Bilder gegeben hat. Vielleicht fragt er sich immer noch, warum ich mich für sie interessiere" "Er sollte später wirklich ein professioneller Photograph werden - Das würde wirklich zu ihm passen und er wäre wahrscheinlich auch sehr erfolgreich damit!" "Hai, das wäre er, auch wenn er da niemand glaubt. Am besten du steckst es weg, bevor noch etwas drankommt. Wenn du möchtest, kann ich dir die anderen auf eine USB geben. Dieses Mal sind wirklich sehr interessante dabei!" "Ja, das wäre schön." Darauf bedacht, dass dem Bild nichts passierte, legte Kisa es sanft in eins ihrer Hefte. "Glaubst du, dass ich heute Mittag bei euch vorbei schauen dürfte?" "Mhm, gerne. Meine o ka san wird wahrscheinlich da sein und dich wieder mit Reisbällchen verwöhnen, aber wenn dir das nichts ausmacht gerne! Würde mich sogar sehr freuen!" "Ich glaube nicht, dass es mir etwas ausmacht - Im Gegenteil es ist wirklich schön mit ihr Onigiris zu machen!" "Gut, dann warne ich sie schon einmal vor, dass du mit sehr viel Appetit kommst " Strahlend schaute sie ihn an und neigte dann leicht den Kopf. "Stell mich aber ja nicht als einen Vielfraß hin!" "Nö, würde ich nie machen! Ich untertreibe nie, wenn es um so etwas geht!" "Ando!!!" Grinsend betrachtete er, wie sie mit den Händen vor der Brust verschränkt vor ihm stand. "Hai" "Das ist nicht nett " "Okay, ich werde ihr nur ausrichten, dass du vorbei kommst um ihr beim Onigiri machen zu helfen. Ich werde auch kein Sterbenswörtchen über deinen Appetit verlieren - Einverstanden?" "Hai, in Ordnung. Dann bis heute Nachmittag " Sie winkte ihm kurz, bevor sie zur Schultür lief und hindurch schlüpfte. Zumindest war sie heute ein wenig fröhlich. Ein Aspekt, den Hiro nie begriffen und den er selbst erst durch Kisa begriffen hatte war, dass stark werden nicht nur im körperlichen Sinne gemeint gesehen werden konnte! Man konnte auch stark werden, indem man ein offenes Ohr für andere Menschen und ihre Probleme hatte! Wenn sie mit anderen darüber reden konnten, war es für sie einfacher diese zu ertragen und wenn sie nur ab und zu lächeln konnten, war das auch schon viel wert! Kurz warf er noch einen Blick auf den hellblauen Himmel. Heute würde ein guter Tag werden! Kisa würde vorbeischauen und Niklas hatte ein weiteres Referat heil überstanden. Auf einmal legte sich eine Hand auf seine Schulter. "Hey Ando, da bist du ja endlich! Hast du mitbekommen, dass heute zwei Referendare bei uns im Unterricht sitzen? Ich glaube ich bekomm das nicht hin! Die sehen so richtig miesgelaunt und genervt aus! Außerdem kenne ich die doch gar nicht! Und was ist, wenn sie eine Frage stellen, die ich nicht beantworten kann? Frau Mender wird mir das so ankreiden! Du weißt doch, wie sie manchmal stundenlang auf einem Aspekt rumreiten kann!" Grinsen lief er neben Niklas her die Treppe zum zweiten Stock hoch. Wieder einmal eine seiner üblichen Panikattacken vor Vorträgen: "Keine Bange, das schaffst du schon! Ich setz mich einfach in die Mitte des Saals und du schaust einfach mich und ein paar Leute, die um mich herum sitzen an und ignorierst die Referendare und Frau Mender. Wenn sie dann noch etwas wissen möchte, kann ich dir ja helfen " "Aber das wird sie sicher nicht zulassen und mich bestimmt auch noch während ich rede unterbrechen und dann bin ich aus dem Konzept! Was wenn ich dann nicht mehr hineinfinde? Dann habe ich ja alles versaut!" "Hast du nicht! Stell dir einfach vor, ein Fisch würde hinter ihr stehen und sie die ganze Zeit nachäffen! Und die anderen beiden sind Nohonhons!" Bei inneren Bild grinsen, lief er zusammen mit dem Blonden in den Klassensaal und warf kurz einen Blick auf ihre beiden Referendare, bevor er sich auf seinem Platz niederließ. Die beiden sahen wirklich nicht allzu motiviert oder begeistert aus. "Keine Bange du schaffst das und selbst wenn nicht, meine Mum macht heute Mittag wieder viele Onigiris und Kisa kommt auch. Wenn du möchtest können wir dann mal wieder ein paar außergewöhnliche machen! Also die letzten mit Schokoladen-Chili-Füllung fand ich gar nicht mal allzu schlecht, davon abgesehen, dass es ein wenig zu viel Chili war!" "Oh ja die waren toll - Wusstest du, dass ich stundenlang danach noch Bauchweh von den verdammten Dingern hatte?!" "Wirklich? Also ich hatte keine Probleme! Gut, dann ist es abgesprochen: Wir machen heute zu dritt einen Onigiri-Tag!" Leicht grinsend lief Niklas nach vorne. "Nik? Wird schon schief gehen!"