Arno Reinfrank

Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2011

Jeanette Koch-Reinfrank: Preisrede

Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2011 |Jeanette Koch-Reinfrank
Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2011
Jeanette Koch-Reinfrank

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Jungen und Mädchen! Liebe Freunde!

In seinem Gedicht "Närrischer Poet" reflektiert Arno Reinfrank über den Beruf des Schriftstellers. "Besaß ich jemals Macht? / Ich hatte Worte, / die übten Zauber aus, / der irritiert. / Mit Worten habe ich / nach Art der Narren / tagtäglich Taschenspiele vorgeführt." Der Dichter, der an der Wirkung dessen, was er schreibt, zweifelt, der fast verzweifelt: Darüber haben Schriftsteller immer wieder geschrieben, immer wieder geklagt. Haben sie Recht? Was sie sagen, stimmt - und stimmt doch wieder nicht.

Denken wir daran, dass die Nazis damit begonnen haben, die Bücher zu verbrennen und die Dichter aus dem Land zu jagen, bevor sie angefangen haben, die halbe Welt zu zerstören: Wenn die Dichter schweigen, hat das Böse in der Welt mehr Chancen. Das erleben wir gerade in diesen Tagen immer wieder: In Diktaturen in aller Welt werden die Menschenrechte nicht beachtet, die Schriftsteller inhaftiert oder vertrieben. Die ab 1933 aus Deutschland geflüchteten Schriftsteller gründeten den Exil-P.E.N. - Arno Reinfrank, der seit 1955 in London lebte, war viele Jahre lang sein Generalsekretär. Heute ist es umgekehrt: Wurden die deutschen Autoren in der Nazizeit in Ländern wie England und Amerika aufgenommen, bietet das deutsche Zentrum des in über 140 Ländern existierenden internationalen Schriftstellerverbandes P.E.N. heute vertriebenen Autorinnen und Autoren in Deutschland Exil. Sie kommen aus China, der Türkei, dem Iran, aus Tschetschenien, Tunesien oder Algerien, um nur einige Länder zu nennen. Es stimmt: Die Welt ist grausam geblieben und ungerecht. Und doch werden Schriftsteller immer noch von Diktatoren als gefährliche Unruhestifter betrachtet.

Schriftststeller wollen Unruhestifter sein. Sie wollen zum Nachdenken anregen, sie suchen Diskussionspartner - nämlich ihre Leser. Sie wollen Menschen beeinflussen. Sie wollen ihnen die Schönheit der Sprache vermitteln und sie mit Wörtern verzaubern. "Geschliffnes fand ich schön. / Genauigkeit der Sprache / besaß für mich / besonderen Glanz. / Die Kunst, die ich als Narr ausübte, / hieß Wörterzaubern. / Wie leben tat ich's ganz." So schließt das Gedicht "Närrischer Poet" von Arno Reinfrank. Gedichte, Erzählungen, Romane schreiben ist eine andere Art zu leben, man muss es ganz tun. Und: Man will es schon immer "ganz" tun.

Wenn wir heute im Namen von Arno Reinfrank junge Menschen mit Preisen für das auszeichnen, was sie geschrieben haben, so tun wir das natürlich in erster Linie, um das Interesse an Literatur wach zu halten, um die nachfolgende Generation für das Lesen zu begeistern, um zu überzeugen, dass das Leben mit Literatur ein schöneres und erfüllteres Leben ist als ein Leben ohne Bücher. Dass auch E-Books Bücher sind, ist dazu kein Widerspruch.

Ich denke aber noch an etwas Anderes: Immer wieder lesen wir in den Autobiografien von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, dass sie schon ganz früh beschlossen haben, Autoren zu werden. Nicht erst als Studenten, schon viel, viel früher. Oft schon mit dreizehn, vierzehn Jahren, manchmal auch noch früher. Der amerikanische Kriminalschriftsteller und Bestsellerautor Stephen King schrieb bereits mit sieben Jahren seine ersten Geschichten. Im Internet
http://www.serien-load.de/blog/lies-des-14-jahrigen-stephen-king-brief-an-das-spaceman-magazines/
findet sich ein Brief, in dem er sein Manuskript an ein Magazin schickt und schreibt: "I am 14 years of age, and have been writing as far back as I can remember..." Auch Henning Mankell schreibt, dass er schon als Junge Schriftsteller werden wollte. Und Arno Reinfrank hat mir einmal erzählt, dass er bereits mit sechs Jahren wusste, Schriftsteller werden zu wollen.

Wir zeichnen heute die besten literarischen Texte aus, die zum Arno-Reinfrank-Jugendpreis eingesandt wurden. Dieser Preis soll kein Literature Contest sein, es soll nicht "Germanys next Top Writer" gesucht werden. Und dennoch: Als Arno Reinfrank jung war, gab es keine Förderung von literarischen Talenten. Er musste lange Zeit seinen Lebensunterhalt mit anderen Arbeiten verdienen, bis er als freier Autor leben konnte. In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Es gibt Künstlerhäuser, in denen man für etliche Monate leben (und schreiben) kann, es gibt Arbeitsstipendien, um ungestört an einem Roman oder Theaterstück arbeiten zu können, es gibt viele Literaturpreise, die dabei helfen, bekannter zu werden. Nicht zu vergessen die vielen Autorenlesungen an Schulen, die Workshops zu kreativem Schreiben für Schülerinnen und Schüler, oft von bekannten Autoren durchgeführt.

Auch Arno Reinfrank hat gerne und immer wieder in Schulen gelesen, mit Schülerinnen und Schülern diskutiert, sie zum Lesen und zum Schreiben ermuntert. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch unter euch und unter Ihnen zukünftige Schriftsteller, Journalisten, Publizisten sind. Aber auch künftige Deutschlehrer oder Literaturwissenschaftler. Wenn der Arno-Reinfrank-Jugendpreis helfen kann, dass junge Talente ein erstes positives feedback bekommen und ein wenig sicherer in der Überlegung werden, was sie aus ihrem Leben einmal machen wollen, so bereiten wir alle damit nicht zuletzt auch Arno Reinfrank selbst postum eine große Freude. In seinem 1999 erschienenen Gedichtband "Im Garten der Verrückten - Gedichte aus fünf Jahrzehnten" heißt der erste Text "Poesie mechanique". Arno Reinfrank vergleicht hier den Aufbau und den Inhalt eines Gedichtes mit einem mechanischen Werk, einem Uhrwerk zum Beispiel, dessen wunderbares Gangwerk ihn fasziniert hat, ihm "poetisch" vorkam. Denn gute Literatur besteht nicht nur aus einer guten Idee, sie muss auch handwerklich genau sein, sonst "funktioniert" sie nicht. Arno Reinfrank schreibt:
Gedichte müssen Teil an Teil
verzahnt sein ineinander wie Maschinen,
in denen die Einsicht vorwärtsspult,
während das Unsagbare in den Achsen
vibriert - und plötzlich rutscht vom Tisch
des Einfalls unerwartetes Ergebnis.

Denn fehlt die Golduhrfederspannung,
die eingezogene durchs Schlüsseldrehn,
verliert der Apparat das Ziel.
Im Kugellagerring rollen die Augen
silbern und feucht bis zum Zerplatzen -
es ist Zerfall, was Licht freisetzt.

Dass dies auch schon in den Texten junger Autorinnen und Autoren "funktionieren" kann, das zeigt die heutige Preisverleihung.
Ich danke Allen die geholfen haben diesen Wettbewerb zum dritten Mal auszurichten:
Frau Ingrid Berg und ihrem Team von der Stadtbibliothek
Und der Jury : Renate Bauer von der Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz, Tanja Herzig, und Lukas Lutz. Danke auch an Siegward Dittmann der wie immer die Dokumentation erstellt.
Und jetzt beglückwünsche ich Sie und Euch zum Arno-Reinfrank-Jugendpreis!

Dankeschön!
Jeanette Koch
Rede zur Preisverleihung in Ludwigshafen am